Stellungnahme des Landesverbandes Theater in Schulen Baden-Württemberg e.V. (LVTS B-W) zur Reform der Bildungspläne
Die Reform der Bildungspläne, die in Baden-Württemberg derzeit erarbeitet werden, legt zurecht besonderen Wert darauf, dass die individuelle Kompetenzentwicklung des Kindes und der Jugendlichen, also der „Bildungsprozess“, als zentraler Aspekt beachtet wird.
Die Bedeutung der ästhetischen Bildung für diesen Bildungsprozess wird von Experten verschiedenster Richtungen hervorgehoben. In diesem Rahmen bietet Theater einen ganz besonderen Zugang für Kinder und Jugendliche in der Verbindung von ästhetischer Bildung mit eigenem praktischem, künstlerischem Handeln.
Mit der Ausnahme des Oberstufen-Wahlfachs Literatur und Theater, für das ebenfalls gerade der Bildungsplan überarbeitet wurde, der dann mit den anderen Bildungsplänen in die Anhörung geht und 2016 umgesetzt werden wird, ist Theater an den baden-württembergischen Schulen nur im freiwilligen Ergänzungsbereich möglich, für den es keine Bildungspläne gibt. In einzelnen Fächern können jedoch theaterpädagogische Arbeitsweisen sinnvoll eingesetzt werden; diese sollten wie bisher dort auch in den Bildungsplänen verankert werden.
Exemplarisch kann hier der Bildungsplan der Grundschule betrachtet werden. Erfreulich ist aus unserer Sicht, dass hier das szenische Spiel als prozessbezogene Kompetenz (vgl. Deutsch S.2: / Sprechen und Zuhören – ausdrucksvoll sprechen, etwas vortragen, szenisch spielen) aufgeführt wird. Als Teilkompetenzen werden hier außerdem (vgl. S.12) theatrale Formen ausprobieren (zum Beispiel Tanz, Performance) und Spielszenen zu ausgewählten Texten gestalten genannt.
Dabei spielt aus unserer Sicht der zugeordnete Denkanstoß „Wie sind theatrale Formen dauerhaft und wiederkehrend im Schulcurriculum verankert?“ eine entscheidende Rolle. Er sollte im Sinne eines Leitgedankens als durchgehende Aufgabe über alle Schulstufen und Schularten hinweg betrachtet werden.
Auch der Entwurf des Bildungsplans im Fach Deutsch für die Sekundarstufe berücksichtigt vor allem bei den prozessbezogenen Kompetenzen eine Reihe von Aspekten der Theaterarbeit. So heißt es in der Kompetenzbeschreibung im Bereich I Sprechen und Zuhören: „Sie entwickeln Ausdrucksmöglichkeiten im szenischen Spiel und im Rollenspiel und nutzen theaterspezifische Ausdrucks- und Kommunikationsformen.“ Sowohl bei den Einstellungen als auch bei den Teilkompetenzen finden sich dann entsprechende Teilaspekte, so zum Beispiel in den Punkten 21 und 22, in denen festgehalten wird, dass Schülerinnen und Schüler „in Rollenspiel und szenischer Darstellung eigene Erlebnisse, Haltungen und Situationen darstellen und reflektieren“ sowie „Texte szenisch gestalten“ können.
Im Bereich II Schreiben fehlt hingegen eine explizite Verankerung des szenischen Schreibens, das im Zusammenhang des kreativen und produktiven Gestaltens als Punkt 39 seinen sinnvollen Platz haben könnte.
Im Bereich III Lesen wäre eine differenziertere Begrifflichkeit wünschenswert, so bei Teilkompetenz 13. Hier könnten Methoden der Rollengestaltung wie Rollenbiographie, Rolleninterview usw. eingeführt werden, die „szenische Umsetzung“ ist als Begriff nicht deutlich genug. In Punkt 29 wird der Begriff der „szenischen Interpretation“ wohl bewusst vermieden.
Bei den inhaltsbezogenen Kompetenzen besteht die Gefahr, dass theaterspezifische Fähigkeiten und Kenntnisse nicht als eigenständige Kompetenzen wahrgenommen werden. Grundbegriffe aus dem Bereich Theater zu kennen, ließe sich auch auf der Orientierungsstufe mit dem praktischen Tun (s. o. „szenisch gestalten“) vereinbaren, es sollte sich nicht auf Dialog und Regieanweisung (vgl. S. 14) beschränken. Unbedingt muss dann bei der Erweiterung der inhaltsbezogenen Kompetenzen für die ganze Sekundarstufe auf Klarheit geachtet werden, so dass nicht nur mit szenischen Verfahren gearbeitet wird, sondern dass diese auch reflektiert werden und in ihrer Eigenheit und in ihrem Verhältnis zur Theaterkunst gesehen werden.
Abschließend möchten wir hervorheben, dass bei den Leitperspektiven unserer Ansicht nach eine zentrale fehlt: Kulturelle Bildung. Dies erstaunt uns umso mehr, als wir bisher den Eindruck hatten, dass die Kulturelle Bildung der aktuellen Landesregierung ein wichtiges Ziel sei. Aus diesem Grund ist es uns ein wichtiges Anliegen, dass dies in der Anhörung als Defizit benannt wird, sodass die Kulturelle Bildung in ihrer Bedeutung als Grundsäule schulischer Bildung noch verankert werden kann, wenn nicht als Leitprinzip, dann doch in anderer Form.
Heike Kienle-Weber, Christian Schulz und Klaus Wegele
für den Vorstand des LVTS Baden-Württemberg